Schillers „Wilhelm Tell“: Textanalyse kombiniert mit Erklärvideo

WP_20171208_12_45_29_Pro

Die folgende Unterrichtsreihe zu Schillers „Wilhelm Tell“ im Deutschunterricht der Jgst. 9 (Gy) integriert sowohl herkömmliche Methoden der Textanalyse als auch die Produktion eines Erklärvideos. Sie stellt m.E. eine gelungene Kombination zwischen klassischem Deutschunterricht und der Arbeit mit digitalen Medien, die neuartige Aufgaben und Lernwege ermöglichen, dar. Diese Unterrichtsreihe habe ich in meiner Tabletklasse durchgeführt. Sie umfasste 18 Unterrichtsstunden, darüber hinaus haben die SchülerInnen zwischen 10 und 20 zusätzliche Stunden in die Produktion ihrer Videos investiert. Die Unterrichtstunden waren ausnahmslos Doppelstunden. In der folgenden Darstellung lege ich den Fokus auf die Arbeit mit digitalen Medien, insbesondere die Erstellung des Erklärvideos, weniger auf die textanalytische Arbeit.

Am Anfang steht die Lesephase des relativ kurzen, aufgrund seiner altmodischen, stellenweise regional gefärbten Sprache und des ungewöhnlichen Dialog-Charakters für die SchülerInnen sperrigen Textes. Diese Phase spielt sich zu Hause ab.

Im ersten Unterrichtsgespräch werden Leseeindrücke verbalisiert und anschließend (mit verteilten Rollen) die 1. Szene gelesen, bearbeitet und besprochen.

Dann folgt die Sicherung des Inhalts, indem in Partnerarbeit in einem gemeinsamen Dokument (GoogleDocs, ZumPad) eine Inhaltsangabe erstellt wird. Da wir auf einem Wiki arbeiten, kann der Text anschließend durch Peer-Feedback (mehrfach) überarbeitet werden.

Nun kommt das  Erklärvideo ins Spiel: Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten Kriterien eines guten Erklärvideos mit Hilfe eines professionellen Beispiels, das gleichzeitig inhaltlich an die Inhaltsangabe anknüpft. Schließlich werden die Ergebnisse von einem Protokollanten auf dem Wiki festgehalten:

KRITERIEN EINES GUTEN ERKLÄRVIDEOS:
• langsam, verständlich, sachlich sprechen, angemessen betonen
• adressatengerecht sprechen
• in die Kamera schauen
• freundlich, motiviert sprechen
• auf das Wesentliche beschränken
• korrekte Informationen
• im Zentrum des Bildes stehen, wenn es nur auf die Person ankommt
• interessant darstellen (Grafiken, Fotos, Videosequenzen einfügen)
• schlichter Hintergrund
• gute Audioqualität, gute Ausleuchtung

Ausgehend von der Inhaltsangabe geht es zurück zur Textarbeit, indem ein Themasatz sowie Intentionen des Dramas verfasst  und aufs Wiki hochgeladen werden. Auch hier werden die Texte mit Hilfe des Peer-Feedbacks korrigiert, kommentiert und überarbeitet.

Nun folgt die Aufgabenstellung zur Produktion der Erklärvideos, für die vier Wochen zur Verfügung stehen. Folgende Bewertungskriterien sind zu beachten:

  • Adressaten: MitschülerInnen der Kl. 9
  • verständliche und medial angemessene (vgl. erarbeitete Merkmale eines guten Erklärvideos, s.o.) Umsetzung des Themas
  • Dauer: 2 – 4 Minuten
  • Videos werden nur im schulischen Rahmen gezeigt. Zusatzpunkte erhält, wer sämtliche urheberrechtlichen Vorschriften berücksichtigt, sodass das Video im Netz veröffentlicht werden kann.

Folgende Themen stehen zur Auswahl, wobei jedes Thema max. zweimal gewählt werden kann:

  • Tell – ein Held?
  • „Wilhelm Tell“ – ein aktuelles Drama?
  • Gessler – ein Verbrecher?
  • Wer war F. Schiller? Biografie
  • „Wilhelm Tell“ – ein Freiheitsdrama
  • Tell in der hohlen Gasse (IV, 3)

Folgende Schritte sind zu beachten:

  • Einarbeitung in das Thema
  • Formulierung der Leitfragen/Kernpunkte für das Video
  • Formulierung der zu sprechenden Texte
  • Zusammenstellung / Erstellung von Abbildungen zur Veranschaulichung (ggf. freie Lizenzen)
  • Erstellung des Storyboards
  • Produktion des Videos

WER macht WANN WAS? Ein präziser Zeit- und Arbeitsplan soll auf dem Wiki hinterlegt werden. Ein fester Termin zur Sendung des Videos an mich wird vorgegeben. Die Note für das Erklärvideo wird zu 50% in die Bewertung der 1. Klassenarbeit eingehen, deren 2. Teil wird aus einer schriftlichen Reflexion bestehen (s.u.).

Im Wechsel mit den Doppelstunden, in denen die SchülerInnen an den Videos arbeiten, folgen Unterrichtsstunden, in denen auf klassische Art und Weise mit ausgewählten Szenen des Dramen-Textes (1. Aufzug, 3. Szene; 3. Aufzug, 3. Szene; 4. Aufzug, 3. Szene) gearbeitet wird. Diese textanalytischen Anteile sowie die Fixierung der Ergebnisse ermöglichen ein grundlegendes Verständnis des Dramas.

Nach Ablauf der vorgegebenen Zeit folgt der Höhepunkt: die Auswertung der Erklärvideos. Sie erfolgt im Klassenverband: Alle Schülerinnen und Schüler sind sehr gespannt auf die Produktionen der anderen – ebenso darauf, wie das eigene Video von den MitschülerInnen bewertet wird. Hier zwei Beispiele:

Wilhelm Tell – ein Held?

„Wilhelm Tell“ – ein aktuelles Drama?

Nachdem das Video gemeinsam angesehen wurde, folgt eine Phase der Fragen / Anmerkungen, oftmals zu technischen Realisierungen. Dann wird das Video nach positiven und negativen Aspekten bewertet. Schließlich wird das Bewertungsgespräch in der Gruppe noch einmal intensiviert, und dessen Ergebnisse mit Hilfe eines digitalen Formulars dokumentiert.

Die anschließende Reflexionsphase geschieht in Partnerarbeit: Überlegt mit eurem Partner, welche Schritte besonders wichtig und welche verzichtbar waren im Hinblick auf das entstandene Video, und notiert eure Ergebnisse auf dem Wiki. Diese Phase dient gleichzeitig der die Unterrichtsreihe abschließenden Klassenarbeit.

Die Aufgabenstellung der Klassenarbeit wird per Mail (in der Klasse zum selben Zeitpunkt) zugesandt:

Hallo,
der Text deiner Klassenarbeit dient der Reflexion über den Lernerfolg beim Erstellen deines/eures Erklärvideos. Bitte vergleiche, was du gelernt hättest, wenn du dich rein schriftlich – z. B. in einer ausführlichen Hausaufgabe, einem schriftlichen Referat oder einer Klassenarbeit – mit deinem Thema auseinandergesetzt hättest mit dem, was du beim Erstellen deines/eures Videos gelernt hast. Gehe dabei folgendermaßen vor:
1. Überlege dir zunächst, ausgehend von deinem Thema, erste wesentliche Punkte, auf die du eingehen möchtest, und notiere sie (5-10 Min.).

2. Notiere in einer Tabelle Stichwörter zu deinen Überlegungen. Ergänze/korrigiere sie. Die Tabelle soll jeweils eine Spalte „Reiner Text“ und eine Spalte „Erklärvideo“ enthalten (15-20 Min.).

3. Formuliere einen nach den beiden Spalten der Tabelle gegliederten Text. Nenne auch das Thema deines/eures Erklärvideos. Formuliere abschließend ein Fazit (max. 30 Min.).

4. Korrigiere den Text sorgfältig (10 Min.) und sende ihn mir per Mail zu.
BEWERTUNGSKRITERIEN (Auszug)

vergleicht seinen/ihren Lernerfolg bei rein schriftlicher Bearbeitung des Themas mit dem beim Erstellen des Videos, z. B. unter folgenden Gesichtspunkten:
• kürzere (Text) bzw. längere (Video) Dauer der Beschäftigung mit dem Thema
• reine Textanalyse-Kenntnisse bzw. tieferes Einsteigen in ein Thema – Elementarisierung
• Individuelle Leistung bzw. Schulung kooperativer Fähigkeiten (Absprachen – Arbeitsverteilung – Meinungsaustausch)
• Medienkompetenzen: Aufnahme – Schneiden – Licht/Ton/Sprache – Recherche – Urheberrechte – Zielgruppenorientierung
• Individuelles bzw. öffentliches/vielstimmiges Feedback
• Motivation- Kreativität

Abschließend das Fazit aus der Klassenarbeit eins  Schülers:

Insgesamt sind meiner Meinung nach die Erklärvideos für einen guten Lernerfolg deutlich besser geeignet. Man beschäftigt sich über einen sehr langen Zeitraum mit den Themen und prägt sich diese immer besser ein. Dabei ist man sehr motiviert und hat Spaß daran. Außerdem beschäftigt man sich sehr lange mit dem Buch, um wichtige Informationen zu erkennen. Zudem wird man durch die Erklärvideos viel kreativer und man erwirbt viel Medienkompetenz. Außerdem lernt man, sich richtig zu organisieren und einen Arbeitsplan anzufertigen. Dies ist sehr wichtig, gerade für die Zukunft. Deshalb finde ich, dass ein Erklärvideo einen deutlich besseren Lernerfolg mit sich bringt und dem normalen  Text um einiges voraus ist.

Erläuterungen, weitere Hinweise, Beispiele und Übungen für den Unterricht in der Fortbildung!

 

3 Comments

  1. Das klang so gut, dass ich das nun für meinen Deutschunterricht für Schlinks „Der Vorleser“ adaptiert habe! Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse! 🙂
    Die Reflexion möchte ich gerne bewerten, sodass ich hierfür ein Dropdown-Gutachten erstellt habe. Bei Interesse stelle ich das gerne zur Verfügung!

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..